Nach dem Turnier ist vor dem Turnier
Wortwechseleröffnung:
These:
Kurz war es, schmerzvoll war es, unnötig war es. Das Turnier ist für Deutschland beendet und schon werden wilde Thesen und Analysen über alle Kanäle geäußert. Wer ist Schuld an dem Debakel? Hans-Dieter und sein Trainerteam? Der ewig smarte Oliver Bierhoff oder gar die nicht gierigen Spieler? Wenn das alles nzr so eindeutig wäre… Was meinst du? Woran hat es gelegen, wer ist der Sündenbock?
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Auslaufmodell:
Braucht es denn immer EINEN Sündenbock? Eigentlich hat niemand performt. Die ganze WM wurde von den Umständen zerredet (das kann Deutschland wirklich gut), es ging nicht um Fußball, der entfernt sich immer weiter von Fußball. Lassen wir es um Fußball gehen: Für die EM im eigenen Lande benötigen wir ein neues Team, das in den anderthalb Jahren lernt zu verteidigen. Das ist die Aufgabe und nun muss geschaut werden, wer das hinbekommt. Hans-Dieter hatte es als Trainer noch nie nötig, eine Mannschaft Defensive zu lehren, kann er das?
Cestonaro:
Der Sündenbock ist gefunden. Ohne Bierhoff wird Deutschland Europameister 2024. Kaum dabei, dreht der Watzke ordentlich am Rad und entfernt die störenden Splitter. Nicht dass er den BVB und seine eigenen Probleme in seinem Eifer vergisst… Aber ich gebe Dir insofern Recht, dass Hans-Dieter jetzt in der Pflicht ist. Bisher ging es bei ihm immer vorwärts und nun muss er sich umorientieren. Ich fand die Aufstellung gegen Costa Rica nicht verkehrt, aber in der Situation etwas feige – zum einen auf den bewährten Bayern-Block setzen, der es schon richten wird – und dann ohne echten Stürmer keinen Druck auf Spanien aufbauen. Vielleicht etwas töricht. Aber gut, jeder darf Fehler machen, aber jetzt kann er zeigen, dass er nicht nur nüchtern und pragmatisch, sondern auch für überraschende Elemente stehen kann. Der Kader wird sich kaum verändern, aber er darf sich nicht von den Pseudostars wie Kimmich, Sane oder Gnabry einlullen lassen. Gute Kicker, die aber leider mitunter machen was sie wollen. Ich bin gespannt, ob er es schafft einen richtigen „Sechser“ für`s Grobe zu bringen und Wirtz neben Musiala als gesetzten Spieler zu etablieren. Denn das muss er tun!
Auslaufmodell:
Der Erfolg von Marokko, Kroatien und Argentinien zeigt, dass mit funktionierenden Defensivabteilungen eine Menge zu erreichen ist. Hinten muss eine Einheit entstehen, womöglich ohne den Skifahrer, der in der Rückrunde nicht im Tor der Bayern stehen wird. Stellen wir uns zudem der Realität überschätzter Innenverteidiger, nicht vorhandener Rechtsverteidiger und eines Linksverteidigers, der viel Raum vor sich und eine absichernde Dreierkette hinter sich benötigt, fangen wir da praktisch bei Null an und der Fantasie eines Nauaufbaus sind keine Grenzen gesetzt. Aber vielleicht ist auch der Sechser fürs Grobe der Schlüssel zum Erfolg. Irgendwie bin ich beim Namen Anton Stach hängen geblieben….
Cestonaro:
Jetzt alles über den Haufen zu werfen, halte ich für fragwürdig. Deutschland hat schlecht verteidigt, richtig. Aber das lag auch daran, dass ich kein solides Defensivverhalten im Mittelfeld und auf den offensiven Außenbahnen entdecken konnte. Es ist mir schleierhaft, dass die Fehler nur der Defensive zugesprochen werden. Wenn man sich die Fehler im einzelnen anschaut, werden einige fatale Fehler insbesondere im Spielaufbau und in der Rückwärtsbewegung deutlich. Hans-Dieter hat hier die Balance nicht hinbekommen, er hat sich von den Erfolgen der Bayern blenden lassen und sie im Block gebracht. Diesen Fehler, den viele Fachleute vor Spielbeginn durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, wird er garantiert nicht ein zweites Mal machen. Ein tiefer 6er mit Zweikampf- und Führungsqualitäten ist ein Schlüssel, ob Stach den schon darstellt, weiß ich nicht. Wenn ich ihn gesehen habe, hatte er auch gern einen kleinen Drang nach vorn. Den braucht es bei der Fülle an guten Offensivkräften nun aber gerade nicht. Bei der WM und auch schon vorher war oft zu beobachten, dass Deutschland häufig so hoch steht, dass selbst der fahrig wirkende Süle oder der überschätzte Rüdiger anfangen in der gegnerischen Hälfte mit Doppelpässen zu agieren und in den Strafraum zu kommen. Das ist regelrecht fahrlässig und muss von Hans-Dieter künftig klar gemaßregelt werden. Aber dafür haben wir ja jetzt diverse Expertenkommissionen, die den Fußball mit ihrem Wissen revolutionieren werden. Ich sehe Matthias Sammer förmlich vor mir, wie er Dinge sieht, die kein anderer erkennt, um anderen diese dann gestenreich und beschwörend aufzudrängen. Schauderhaft! Diese Kommissionen sehe ich als völlig sinnbefreiten Aktionsimus und unnötige Plattform für Phrasendrescherei der übelsten Sorte.
Auslaufmodell:
Wenn sich jeder Fernsehsender zig Experten genehmigt, dann soll dieses Mittel dem DFB wohl nur recht sein. Ich persönlich habe noch nicht eine TV-Sendung gesehen, die durch auch nur einen Experten besser geworden wäre und schätze, dass es auch nicht eine Nationalmannschaft geben wird, die durch eine Andockung vergreister Meinungsmacher besser wird. Zumal wir nicht dabei sind. Armer Hans-Dieter, nun muss er sich nicht nur mit einer Ansammlung von Jungmillionären herumplagen, sondern hat noch einen Balkon voller Muppet-Show-Geiferer an den Hacken, Eins ist sicher – die Medienlandschaft wird ihre helle Freude daran haben und jeder Euro, der für die alten Männer ausgegeben wird, wäre in der Jugendarbeit besser aufgehoben. Huch, das waren ja nun zwei sichere Punkte….
Cestonaro:
Ich glaube, dass sich Hans-Dieter – und das ist eine Stärke von ihm – von der „Expertenkommission“ kaum beeinflussen lässt. Und damit ist sie überflüssig und wir müssen auch keine weitere Silbe darüber verlieren. Spannender ist die Frage, inwiefern er die Mannschaft verändern wird. Neue Spieler wird es nicht viele geben, aber über die vorhandene Qualität habe ich mich ja schon geäußert. Was er machen muss, ist ein Gerüst aufzubauen, in der jeder seine klare Aufgaben definiert bekommt und einhalten muss. Ich habe schon erwähnt, dass dieses Sprunghafte mitunter Disziplinlose bei einigen durchaus talentierten Spielern etwas gebremst werden muss. Jetzt zu erzählen, dass in Deutschland zu wenig auf Jugendarbeit gesetzt worden ist, ist Nonsens. Spieler wie Havertz, Sane oder Wirtz sind hier ausgebildet worden und insbesondere der Letztgenannte ist ein sehr gute Spieler, die keinem internationalen Vergleich scheuen müssen. Die Viererkette erscheint mir derzeit als falsches System für die Nationalelf. Die vorhandenen Außenverteidiger, speziell links, denken bei uns zu offensiv und tragen kaum zur nötigen Stabilität bei. Wir sind in der Offensive einfach zu stark und sollten das daher berücksichtigen. Ein 3 – 4 – 3 bzw. 3 – 6 – 1 (je nach Gegner) mit klarer Rollenverteilung ist meines Erachtens ein richtiger Schritt. Ich verrate dir gern ein interessantes und vor allem schlagkräftiges Team für die EM 2024.
Cestonaro:
Am Freitag wird es spannend. Flick verkündet seinen Kader für die nächsten Spiele. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, will er ein paar Youngster bringen. Lassen wir uns überraschen. Knauff, Wolf, Dorsch? Vielleicht sogar einer aus der zweiten Liga? Ich bin wahrlich gespannt.
Cestonaro:
Jetzt muss ich mich doch äußern. Es hilft nichts, jetzt hat Hans-Dieter die Katze aus dem Sack gelassen und ich muss das kommentieren. Wolf war klar, der wurde schon öffentlich rein geredet und hat sich zuletzt wieder an seine Frankfurter Zeit besonnen. Ich glaube eine vernünftige Wahl. Vielleicht auch Berisha, aber ich habe meine Zweifel. Schade ist schnell, ok, dann aber weg mit Sane. Vagnoman ist dagegen natürlich völlig absurd. Er „verkörpert einen besonderen modernen Typus des Außenverteidigers“ hat Hans-Dieter ihn sinngemäß gerühmt. Was soll das heißen? Weiß er mehr über die Fähigkeiten dieses ewigen Reservisten oder meint er, dass es modern ist auf der anderen Seite der Außenlinie zu stehen?Absolut rätselhaft. Mein Respekt vor Hans-Dieter bröckelt allerdings auch, wenn ich Nmecha lese. Ein Dutzend Spiele in der Bundesliga reichen also für eine Berufung aus. Wo soll er denn in der Zentrale spielen? Was für eine Ohrfeige für den immer soliden Arnold und die endgültige Abfuhr für den Kapitän aus Wolfsburg. Und dann kommt er mit Can. Tut mir leid. Aber das muss für Arnold und vor allem für Andrich wie Hohn klingen. Letzterer ist für den Leverkusener Formanstieg sehr wichtig und wäre als Mittelspieler einer Dreierkette eine perfekte Wahl. Ein Mentalitätsspieler wie Can, aber mit durchweg mehr Einsicht und damit Reife seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Andrich spielt gute Bälle zu seinen Mitspielern und belässt es dabei, während Can immer wieder anfängt zu denken, dass er derjenige ist, der den Ball an den gegnerischen Strafraum transportieren muss, um ihn dort regelmäßig zu verlieren. Und dann kommt eine Grätsche von ihm und alle jubeln, dass er ein Mentalitätsminster ist. Bitte nicht. Das kann es doch nicht wirklich sein. Liebes Auslaufmodell – auch wenn es Dir zu müßig ist darüber zu diskutieren, ich muss mein Unverständnis einfach loswerden. Und ich werde es auch weiterhin tun.