Katarstimmung
Wortwechseleröffnung:
These:
Es geht langsam los. Die WM rückt immer näher und der Fokus richtet sich immer stärker auf das Turnier in Katar. Und langsam muss man sich entscheiden. Sich aufregen und trotzdem schauen oder vielleicht tatsächlich mal konsequent boykottieren. Was meinst du, mein liebes Auslaufmodell? Ist ein indivdueller Boykott für einen aus der Fußballfreund sinnvoll und möglich?
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Auslaufmodell:
Das dürfte spannend werden. Noch nie gab es einen so beknackten WM-Termin und noch nie sollte das Treiben der FIFA so hinterfragt werden. Schon die WM 2018 hat ja nicht besonders lange Brücken gebaut, sondern der damalige Gastgeber reißt gerade so ziemlich alles ein, was denkbar ist. Kurzum – lange nicht mehr waren die Sorgenfalten global so groß wie aktuell, nach einem Fußballfest ist MIR nicht. Und schon gar nicht beim nächsten Gastgeber, der Ethik und Moral deutlich anders definiert als der Schnitt der Fußballwelt…
Cestonaro:Das klingt resigniert, mein Lieber. Aber wirst du einen Boykott konsequent durchziehen können? Die WM ist doch auch ein Gemeinschaftserlebnis. Kannst du dich dem widersetzen und auf einen Gedankenaustausch mit Fachleuten zu den Spielen verzichten?
Das Wort Gemeinschaft ist dieser Tage, Wochen und Monate ein großes Wort – es wird immer deutlicher, dass es eine Weltgemeinschaft mit gemeinsamen Handeln nicht gibt. Warum sollte dann ausgerechnet der Fußballfan dieses Bild weiter vortäuschen? Ich werde da ganz egoistisch vorgehen wie so mancher Global Player und mich für zwei, drei Länder im Besonderen interessieren – der Rest ist mir wurscht!
Cestonaro:Liebes Auslaufmodell, lass mich raten, einer deiner Favoriten, denen du deine Aufmerksamkeit schenken wirst, werden die Dänen sein. Immer fröhlich und mit viel Einsatz die Olsenbande. Das neue Trikot von Sponsor Hummel ist ja auch mal ein Statement. Allerdings sind die Katarer jetzt schon auf der Palme und ich wette 20 dänische Kronen, dass das Trikot bei der WM nicht zum Einsatz kommt. Was meinst du?
Ein Schelm wer denkt, Hummel würde hier geschicktes Marketing betreiben. Wie so oft, ist das ein mehr als halbherziger Protest, auch wenn das Trikot rein optisch seinen Charme hat. Entweder man bleibt zu Hause oder man macht mit, dazwischen gibt es nichts. Sollten die Werte nicht zusammen passen, ist konsequentes Handeln und alleine klarkommen gefragt. Was verdient eigentlich so ein Fußballverband an einer WM? Warum fahren denn alle da hin?
Cestonaro:Moin, du drehst mir zu sehr am großen Rad, mein Lieber. Fangen wir bei uns an. Die WM kommt und jeder hat die Wahl. Will ich gucken? Und dann nur ein paar auserwählte Nationalmannschaften, verfolge ich nur die Berichterstattung in den Sekundärmedien oder bin ich völlig raus? Letzteres wird schwierig, spätestens beim ersten Spiel der Deutschen winken Freunde und ein gutes Pils einem zu. Ich bin noch unentschieden, aber immerhin gibt es moralische Bedenken. Und wer wird Weltmeister und wo landet die „Mannschaft“? So heißt sie doch noch, oder?
Die Mannschaft ist seit Ende Juli nicht mehr die Mannschaft, wurde quasi abgeschafft. Ein Ersatz – möglicherweise „Ansammlung von Individualisten“ – ist noch nicht bekannt. Und Weltmeister wird sie auch nicht, so einen echten Favoriten kann ich auch nicht ausmachen. Zumal ich mich bislang tatsächlich außerhalb dieser Zeilen noch nicht mit dem Turnier beschäftigt habe. Weißt Du denn schon welches Pils Dir zuwinkt, einen Biersponsor gibt es gerade auch nicht…
Cestonaro:Wenn die Frage nach der Biersorte den Fußball schlägt, sagt das schon alles. Ich meine vor Ort bekäme ich alkoholische Plörre von Anheuser – zumindest außerhalb des Stadions. Ich würde daheim ein regionales herbes Pils bevorzugen. Bei den Favoriten habe ich schon eine Tendenz gen Südamerika. Brasilien eher als Argentinien, aber beide habe ich oben auf der Liste. Zum einen sind sie nach 20 bzw. 36 Jahren einfach wieder dran und außerdem schwächeln die Europäer derzeit. Spanien und Frankreich werden die ernsthaftesten Herausforderer sein. Deutschland? Ich weiß nicht so recht. Wen nimmt Hans-Dieter denn mit, wenn muss er mitnehmen?
Mich überkommt leider das Gefühl, dass ich der grundsätzlichen landläufigen Stimmung folgen werde. Sich über Katar aufregen, den Boykott begrüßen und thematisieren, um abschließend festzustellen, dass man zumindest die Spiele der deutschen Nationalmannschaft verfolgen wird. Wie schon Rettig und Co. signalisieren. Im Endeffekt ist wohl kaum ein Fußballinteressierter bereit, sich dem Fußball für vier Wochen komplett zu entsagen und somit Konsequenzen zu ziehen. Warum sollte es mir also anders ergehen. Eigentlich schwach und bedauerlich.